Genossenschaft und Sozialismus

Genossenschaften und Sozialismus. Das Vorurteil, Genossenschaften seien sozialistische Experimente, hält sich. Und das, obwohl der Begriff „Genosse“ aus kosmetischen Gründen aus dem Genossen­schaftsgesetz entfernt und durch den Begriff Mitglieder ersetzt wurde. Was aber hatten und haben die Genossenschaft und Sozialismus gemeinsam?

Die Idee vom Gemeinschaftseigentum ist ein wesentlicher Bestandteil der Rechts­form Genossenschaft, aber auch Teil der sozialistischen Ideologie. In der Genossen­schaft werden wichtige Entscheidungen unten, also von der Mitgliederbasis getroffen. Im Sozialismus sollte die Macht vom Volke ausgehen und so weiter …

Historisch gesehen sind die Genossenschaftsidee und auch der Sozialismus Kinder der industriellen Revolution. 
Es ging darum, die Lebensbedingungen der verarmten Bevölkerung zu verbessern und einen Ausgleich zwischen dem knappen und teuren Kapital und der massenhaft vorhandenen billigen Arbeitskraft herzustellen.

Mit dem Zusammenbruch der Feudalwirtschaft und der Verlagsmanufakturen entstanden zwei wirtschaftspolitische Strömungen. Der Sozialismus wollte die politischen Machtverhältnisse sowie die Eigentums- und Lebensverhält­nisse grundlegend ändern. Dafür wurde ein starker Staat benötigt. Die auf die sogenannte Planwirtschaft basierenden sozialistischen Volkswirtschaften des Rats für gegenseitige Wirtschaftschafthilfe sind zusammengebrochen. Die Endzeit des sozialistischen Großversuchs beschreibt Rudolf Bahro ein DDR Wissenschaftler, der sich mit den real existierenden Sozialismus auseinandersetzte. Er unterscheidet, grob vereinfacht, zwischen dem sozialistischen Dogma „Einer für alle“ und der praktischen Umsetzung „Alle für einen“ oder „die Herrschaft des Menschen über den Menschen“ 

Also die Förderung einer elitären Klasse mit allen Privilegien durch einen auf Selbsterhalt ausgerichteten politischen Machtapparat der alle alten sozialistischen Hoffnungen zum Gespött der Massen gemacht hat. „Der freie Markt” wurde durch die Planwirtschaft ersetzt. Die Steuerung erfolgt von oben nach unten. Die Partei verschmolz mit dem Staat und dieser übernahm schnell die Rolle des „bösen Kapitalisten“. Der Staat war mächtig, seine Bürger ohnmächtig. Zu den Dingen, die gut funktionierten, gehörten die Vernetzung staatlicher Kontrollinstanzen und die Überwachung. Diese dienten vor allem dazu, die Macht zu erhalten. 

Das Gegenmodell der Kapitalismus, heute in einer Ausprägung auch als “Soziale Marktwirtschaft getarnt”, setzt auf wenig Staat, offene Grenzen und viel Wettbewerb. Das heute noch weltweit vorherrschende neoliberale Wirtschaftssystem führte zu einer extremen Ungleichverteilung von Kapital und Arbeit. Es entstand eine durch künstliche Nachfrage geschaffene Wegwerfgesellschaft, die unglaubliche Resourcenverschwendung führte zu einer enormen Umweltverschmutzung.

Die Nachhaltigkeitsziele der UN, aber auch die weltweit wachsende Wandelbewegung setzen inzwischen neue Maßstäbe. Hierzu tragen unter anderem digitale Platform Genossenschaften, sogenannte Platform-Coops und die Open Source Idee bei.

Genossenschaften machen den dritten Weg frei. Genossenschaften sind aber eindeutig kapitalistisch orientierte Unternehmen, die erfolgreich am freien Markt teilnehmen und sich deutlich von Kapitalgesellschaften unterscheiden. Der wesentliche Unterschied sind die Eigentumsverhältnisse und die demokratischen, von unten nach oben geprägten Strukturen, sowie die Vergütungssolidarität. Das Gemeinschaftseigentum dient aber immer noch dazu die Genossenschaftsmitglieder wirtschaftlich zu fördern. Genossenschaften und Sozialismus haben somit wenig gemeinsam.

Dieser Beitrag wurde gekürzt und für coop-impulse angepasst. Der Originaltext wurde den GenoNachrichten entnommen und ist hier zu finden. Verantwortlich für den Inhalt Gerald Wiegner, Vorstand igenos e.V. Interessengemeinschaft der Genossenschaftsmitglieder und die Arbeitsgruppe coopgo